Mit Stil und Eleganz reisen: In roten nostalgischen Alfas durch grüne toskanische Landschaften
Solche Bilder gibt es eigentlich nur in romantischen Kinofilmen und eleganten Werbespots. Sanft schlängelt sich die schmale Straße durch die toskanische Landschaft. Schlanke Zypressen und alte Bauernhöfe säumen den Weg, im Hintergrund bauen sich weich geschwungene Hügel auf, auf deren Spitzen alte Bergdörfer thronen. Stillleben auf klassisch Italienisch, doch von Stille kann keine Rede sein. Das kernige Röhren des Alfa Romeo Spiders ist die optimale akustische Untermalung, die Perfektion des klischeehaft schönen Arrangements.
Man sitzt auf schmalen Ledersitzen, vor sich das filigrane Lenkrad mit den eleganten Speichen, chromblitzende Armaturen und verspielte Knöpfe und Hebel. Die Kombination pittoresker italienischer Landschaften mit klassischen offenen Zweisitzern der Marke Alfa Romeo, was auch sonst, ist ein Reisearrangement für Menschen, die mit Stil und Eleganz reisen wollen. Genussreisen für Nostalgiker. Die beiden jungen Südtiroler Walter Laimer und Gert Pichler haben ihr Unternehmen sinnigerweise auch Nostalgic getauft. Ausflüge für Menschen, die sich nicht um die Organisation kümmern wollen, sondern sich ganz auf den Genuss der Reise konzentrieren. Der Fuhrpark datiert aus den frühen sechziger Jahren und lässt die Wahl zwischen herrschaftlich souverän oder sportlich-verspielt. Die Alfa Giulia 1600 und Giulietta 1300 sind mit ihren kompakten Formaten und dem frech-sympathischen Auftritt wie geschaffen für kurvige Landstraßen und schmale Dorfdurchfahrten. Die Vierzylinder-Doppelnocken-wellenmotoren werkeln auch für heutige Verhältnisse erstaunlich kraftvoll und ziehen souverän aus den engen Kehren im Hügelland zwischen San Gimignano und Siena. Ganz anders der Touring 2600. Er repräsentiert den Landadel, vornehm, distinguiert. Ein sonorer Sechszylinder verkündet Stärke. Der lange Zweisitzer will rollen, cruisen würde man das heute nennen. Kein Kurvenflitzer, sondern einer, der auf dem Kieselweg vor dem Renaissance-Palazzo eine gute Figur macht.
Der offizielle Start der Tour ist standesgemäß. Im Innenhof des Nobelhotels La Suvera, einer einstigen Papstresidenz unweit von Siena, sind die Alfas akkurat aufgereiht. Eine kurze Einweisung in die ergonomischen Besonderheiten der Oldies, dann werden die Roadbooks verteilt und die Reise kann beginnen. Die Teilnehmer gewöhnen sich schnell an die kommode Art der Fortbewegung. Nicht das Ankommen ist das Motiv, das ersehnte Ereignis, sondern die Fahrt an sich. Man rollt gemütlich über einsame Straßen, erfreut sich an kurzen Sprints auf kurvenreichen Bergstrecken. Fahrtwind und Sonne umschmeicheln die Passagiere. Man erlebt die Gerüche der Landschaft und gewinnt eine ungewohnte Gelassenheit. Die Tatsache, dass man in kleinen Gruppen fährt, erschließt ein zusätzliches visuelles Erlebnis. Vor sich und im Rückspiegel einer der nostalgischen Zweisitzer, gewissermaßen ein Spiegelbild der eigenen Fahrt. Termine, Zeitdruck, alles ist nach wenigen Stunden vergessen. Eine launische Benzinpumpe, die eine Zwangspause verursacht. Alles kein Problem. Die Teilnehmer reagieren mit einer geradezu südländischen Gelassenheit.
Kurze Pausen in vornehmen Weingütern spielen erstaunlicherweise eine Nebenrolle. Richtig zufrieden sind die Fahrer und Beifahrer vor allem dann, wenn sie wieder am Volant ihres Alfa Romeo sitzen, die Motoren heiser fauchen, wenn mit kurzen metallischen Klicken die Gänge einrasten und sie gierig wieder die nächste Kurvenkombination ansteuern.
Der Ablauf der Tagesetappen hat etwa Provisorisches. Kurze Pausen an Tankstellen ufern zu längeren Diskussionen mit den Senioren im Dorf aus. „Bella macchina. Das waren noch richtige Autos. Aber heute?“ Trotz Roadbook und Landkarten sind kleine unfreiwillige Umwege an der Tagesordnung. Die Ankunft im Hotel verschiebt sich um die eine oder andere Stunde. Alles kein Problem. Je länger man am Steuer sitzt, umso besser. Wo die schönsten Kurven, die besten Panoramapassagen waren, wo man anderen Oldtimern begegnet ist, das sind die Themen, die beim Abendessen eifrig diskutiert werden. Mag der eine rote Hände von der Schwerarbeit am Volant haben, der andere einen roten Kopf von der intensiven Sonne, das stört nun wirklich niemand.
Mit Oldtimern zu fahren, das fordert eben einen gewissen Tribut. Die Anstrengungen, sich ohne Servolenkung und sonstige moderne Hilfsmittel stundenlang durch endlose Kurven zu chauffieren, changieren zum nachhaltigen Fahrspaß. Man spürt noch, dass man fährt, dass man eine Maschine bewegt und das ist gut so. Die braven anspruchslosen Limousinen, die fährt man ja zu Hause. Hier ist Autofahren ein sinnliches Vergnügen, ein Ausdruck der körperlichen Verbindung zwischen Mensch und Automobil.
Nostalgic offeriert Viertagestouren, die allesamt in Italien stattfinden. Im Herzen der Toskana, auf einsamen Strecken in Sizilien, am Lago Maggiore oder auf verwegenen Passstraßen in Südtirol. Auf den ersten Blick mögen die Preise von knapp 2000 Euro pro Teilnehmer so manchem etwas deftig vorkommen, aber dahinter stehen eine aufwändige Organisation und eine Rundum-Betreuung während der Touren. Man logiert in vornehmen Hotels der obersten Kategorie, was ja mit einer genussvollen Oldtimertour bestens konveniert. Es werden die Autos gestellt inklusive Treibstoff und Versicherung. Es ist zudem beruhigend zu wissen, dass man unterwegs von einem Servicefahrzeug begleitet wird. Und im Ernstfall steht ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung. Im Preis inbegriffen ist auch die Verpflegung. Ein Picknick im Grünen unterwegs und typisch italienische Restaurants mit einem opulenten Abendessen.
Die Oldtimer-Ausfahrten sind für die Teilnehmer eine genüssliche Flucht aus dem Alltag, eine Wiederentdeckung der Langsamkeit, zuweilen auch ein Ausflug zu eigenen Kindheitserinnerungen. Unter den Teilnehmer sind passionierte Oldtimer-Sammler genauso wie neugierige Debütanten, die einfach mal erleben wollen, wie es sich mit einem automobilen Klassiker so fährt, ohne dass man gleich einen kaufen muss.
Text: Georg Weindl
Foto: Beate Jeske, Nostalgic
19. Juni 2012