Mit einem Alfa Giulia Spider auf Zeitreise in der traumhaften Toskana – italienischer geht es nicht! Um eine automobile Romanze inmitten von Zypressen und Weinbergen zu erleben, muss man nicht unbedingt eine Giulia besitzen.
Aufwachen im Relais Borgo Scopeto, einem edlen Hotel in der Toskana. Sonnenlicht tastet sich durch das luxuriös aber rustikal eingerichtete Schlafzimmer. Durch das geöffnete Fenster dringt das Geräusch von Reifen, die langsam über feinen Kies rollen. Ein dumpfes Motor-Röhren klingt wie Musik in den Ohren. Spätestens jetzt stürmt der Autoliebhaber zum Fenster, um zu sehen, was sich auf dem Hof abspielt. Was für eine Szene: Sieben Alfa Giulia Spider und ein Alfa 2600 Spider laufen sich warm, die Doppel-Nocker brabbeln mit knapp 1.000 Umdrehungen vor sich hin. Die offenen Oldtimer gehören zur Flotte von Nostalgic, einem Unternehmen, dass klassische Alfa Romeo an Selbstfahrer vermietet. Man ist jedoch nicht allein unterwegs, sondern in einer Gruppe von mehreren Fahrzeugen. Vorteil: Jeder Teilnehmer bekommt jeden Alfa zu fahren. Individuelle Abstecher sind dabei jederzeit möglich, ein Roadbook hilft bei der Orientierung.
Der Giulietta Spider tanzt förmlich auf der Straße
autobild.de hat ein Date mit einem schönen Fräulein namens Giulietta Spider Veloce, von deutschen Alfisti liebevoll "Fräulein" genannt. Ich nehme Platz hinter dem riesigen Dreispeichenlenkrad und mache mich über eine scheinbar endlose Zypressenallee davon. Es duftet nach Olivenhainen, der von zwei Weber-Vergasern beatmete Doppelnockenwellen-Vierzylinder schmeichelt den Ohren mit seinem sonoren Klang. Abbiegen auf eine kurvige und schmale Landstraße, links und rechts Weinberge und pittoreske Dörfer. 90 hellwache PS lassen das 865 Kilogramm leichte Fräulein geradezu auf der Straße tanzen, für ein 50 Jahre altes Auto lenkt der Spider sehr agil ein. Das Getriebe verlangt Zwischengas, sonst lässt es sich nicht herunterschalten. Auskuppeln, den vierten Gang herausnehmen, Leerlauf, Kupplung loslassen. Dann den rechten Fuß bis zum Bodenblech treten. Vollgas! Jetzt die Kupplung treten und den dritten Gang einlegen. Geschafft!
Ein Genuss für alle Sinne
Nach wenigen Kilometern sind Körper und Geist verwachsen mit der Seele der Bella Macchina, alles klappt wie am Schnürchen. Das überschäumende Temperament der rassigen Signoria ist dabei kaum zu bremsen: Die vier Trommelbremsen wirken spätestens beim ersten Anbremsen vor einer scharfen Kurve wie ein psychischer Tempomat. Also gebe ich etwas weniger Gas und genieße die Sonne und den die Haut streichelnden Fahrtwind. Das harmoniert prächtig mit der malerischen toskanischen Landschaft.
Der Aristokraten-Spider
Zur Mittagsrast treffen sich alle Alfisti zur gemeinsamen Anfahrt der mittelalterlichen Festung Monteriggioni. Das im Schloss gelegene Restaurant "Il Piccolo Castello" verwöhnt die nostalgische Truppe mit hausgemachter Pasta. Als Dessert wähle ich den Aristokraten unter den Alfa Spidern, den in Mailand bei Touring gebauten 2600 Spider. Unter der endlos langen Haube befeuern gleich drei Weber-Vergaser den letzten echten Alfa-Reihensechser. Doch nur auf der Geraden lässt man alle 145 Pferde gleichzeitig antraben. Dann zeigt das famose Doppelnockenwellen-Aggregat seinen wahren Charakter: es dreht, faucht und entfesselt einen heftigen Sturm im dachlosen Cockpit!
Alfa-Touren im Süden Europas
Dem Mythos Alfa Romeo ist Walter Laimer schon lange verfallen. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Gert Pichler hatte er die Idee, klassische Alfa Romeo an Selbstfahrer zu vermieten. 2002 gründeten Pichler und Laimer die Firma Nostalgic, mittlerweile haben sie einen Fuhrpark von 25 klassischen Alfa Romeo, alles Spider. Falls einmal einer der bestens gewarteten Alfa liegen bleiben sollte, steht ein auf einem Autotransporter ein mitgeführter Ersatz-Spider bereit. Die organisierten Touren gibt es auch für die schönsten und sonnigsten Landschaften Europas: Toskana, Lago Maggiore, Sizilien, Dolomiten, Côte d'Azur oder die Bayerischen Seen stehen zur Wahl.
Text: Lars Busemann
04. Januar 2014