So fühlen sich Touren in historischen Autos durch südliche Gefilde an. Fahrspaß gibt's gratis obendrauf.
Vor dem Start gibt es ein paar leichte Irritationen: Das Zündschloss findet sich nicht, wie gewohnt, rechts an der Lenksäule, sondern links im Armaturenbrett (wie heute nur noch bei Porsche-Modellen). Der Handbremshebel sitzt nicht mittig auf dem Kardantunnel, sondern ragt als hakeliger Stockgriff aus den Tiefen der Pedalerie - um irgendwo zwischen den Knien des Fahrers zu enden. Und den Sicherheitsgurt, den gibt es gleich gar nicht. Die offenen Alfa Romeo, die an diesem Morgen auf dem Parkplatz in den Bergen des Chianti auf ihre Fahrer warten, bieten Freiheit, nicht Sicherheit. In den 60ern, als etwa die kleine Giulia Spider gebaut wurde, gehörten Gurte noch längst nicht zu den Standards. Aber daran denkt der Fahrer erst einmal nicht. Er ist viel zu aufgeregt, erwartet er doch seine erste Ausfahrt in einem Autoklassiker, für den Großmeister Pininfarina die Karosserie entworfen und gebaut hat. Und der in Italien folglich gern mit dem lauten Ruf „Che bella macchina!“ begrüßt wird.
Die Münchener Firma Nostalgic vermietet elf dieser epochalen Sportwagen. Und wem die Giulia zu verspielt ist, für den hält der Reiseveranstalter zwei seriösere, aber nicht weniger atemraubende Alfa bereit, Modell 2600 Spider. In der Toskana, auf Sizilien und am Lago Maggiore können die Teilnehmer ausgeklügelte Tagestouren in den generalüberholten, technisch wie optisch perfekten Oldtimern unternehmen, bevor sie an ausgesuchten Restaurants und bequemen Hotels halten.
Die Geschäftsgrundlage bildeten ursprünglich so genannte Incentive-Reisen: Unternehmen laden die Führungskräfte ihrer besten Kunden ein oder wollen verdienten Mitarbeitern etwas Gutes tun. Wegen der großen Nachfrage wurde das Businessmodell schnell auf Individualreisende ausgedehnt.
DIE MINUTIÖSE VORBEREITUNG der Route ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Oldtimer-Reise. Bei Nostalgic bekommt zum Beispiel jeder Fahrer ein „Roadbook“, in dem die Tour detailliert dargestellt wird. Jede Kreuzung, jede Abzweigung ist vermerkt, jeder Panoramablick, jede schöne Stelle zum Anhalten, Verweilen, Fotografieren. Die Touren führen über fahrerisch wie landschaftlich besonders attraktive Landstraßen - Strecken, die auch in der Hochsaison kaum befahren sind. Bis zu einer Woche braucht ein Rechercheteam, um die richtigen Routen für nur einen Tag einer Nostalgic-Rundfahrt zu finden und exakt zu beschreiben. Die Mühe lohnt: Die Gäste sind begeistert, weil sie nur selten Lkw oder Bussen hinterher zockeln müssen. Städte werden umfahren, wo immer möglich (siehe Karte oben) - Genuss und Fahrspaß sind gleichermaßen programmiert.
Der zweite Erfolgsfaktor ist die Zuverlässigkeit der Autos. Die Nostalgic-Flotte wird zum Beispiel nach jeder Reise gleich vor Ort, in der Toskana, von einem erfahrenen Alfista gewartet, der das Unternehmen auch beim Ankauf und der Restaurierung der Sammlerstücke berät. „Noch nie ist ein Gast mit einem unserer Autos liegen geblieben“, sagt Geschäftsführer Gert Pichler. Sollte das doch einmal passieren, dann muss der Fahrer nicht mühsam einen Mechaniker anrufen und am Straßenrand warten. Das Nostalgic-Team fährt die empfohlene Strecke des jeweiligen Tages in diskretem Abstand mit einem Kleinbus ab; auf dem Anhänger steht ein Ersatzcabrio. Im Fall einer Panne wird also das Auto ausgetauscht; der Kunde kann gleich weiterfahren.
SO WIRD EINE OLDTIMER-TOUR zum Schieren Vergnügen. Die alten Wagen lassen sich erstaunlich flink bewegen. Ein MG A oder B wiegt zum Beispiel unter einer Tonne, die schnellste Giulia hat 112 PS - bei gleichem Gewicht. Damit ist sie in Relation deutlich besser motorisiert als etwa ein Mazda MX5 oder vergleichbare moderne Roadster. Das Zwischengasgeben - bei vielen der älteren Getriebe ist die Synchronisation schon abgenutzt - will geübt sein. Ungewohnt ist auch der Kraftaufwand beim Lenken. Selbst fanatische Oldtimer-Piloten sind daher froh, wenn sie nach ein- bis zweistündiger Fahrt eine Pause machen dürfen. Die Reise soll schließlich Erholung sein, kein Leistungsbeweis. Aus diesen Gründen umfasst die längste Tagestour bei Nostalgic nur 160 Kilometer, an manchen Tagen werden nur 60 gefahren. „Wir wollen den Gästen Zeit und Muße bieten, auch die Schönheiten am Wegesrand auszukosten“, sagt Geschäftsführer Walter Laimer. „Sie sollen ein Kloster oder ein Museum besichtigen können, vor einer Espressobar anhalten, auf einer Blumenwiese die Picknickdecke ausrollen und ausspannen.“
Die Autos sind meist mit Paaren besetzt. Im Konvoi fahren nur jene Reisenden, die das gerade mal wollen. Sonst trödelt oder promeniert oder wieselt jeder nach eigenem Gusto über die Landsträßchen. Bei den All-inclusive-Touren trifft sich das Oldtimer-Rudel für einen leichten Lunch in Landgasthöfen, wo Tische auf schattigen Terrassen reserviert sind. Bei den Halbpensionsanbietern sieht man sich erst wieder abends zum Dinner in noblerer Atmosphäre. Wer Sinn hat für diese Kombination von sommerlichen Frischluftaktivitäten, der wird auch Gefallen finden an einer ganz anderen Form von Oldtimer-Reisen: Im österreichischen Stainz bieten Traktorenthusiasten Rundfahrten auf historischen Zugmaschinen.
Die Touren gehen durchs so genannte Schilcherland in der westlichen Steiermark. Die sorgsam restaurierten Lanz, Fendt oder Porsche bullern mächtig (eine Kostprobe gibt’s schon bei der Ankunft auf der Website, siehe Kasten) - und tuckern so geruhsam, dass unterwegs selbst den Laienfahrern noch eine kleine Kostprobe des rosafarbenen Schilcher-Weins gestattet ist. Die Strecke der Halb- und Ganztagestour führt jedenfalls an genügend Weingütern und Buschenschänken vorbei.
Ein Tipp: Nur Unkundige nennen den Schilcher einen Rosé. Und nur Banausen finden ihn sauer.